GRENZGESCHICHTE

Die Grenzen Deutschlands und des deutschen Sprachgebiets in der Geschichte

Von Bert Alexander Schwank

1499 – Erwerb Flanderns und Ausscheiden der Schweiz

Bernardi-Karte

‍Mit der Goldenen Bulle von 1356, der ersten deutschen Verfassung, hatte Kaiser Karl IV. aus dem Hause Luxemburg die deutsche Königswahl durch vier weltliche (Brandenburg, Sachsen-Wittenberg, Böhmen, Pfalz bei Rhein) und drei geistliche Kurfürsten (Köln, Trier, Mainz) geregelt. Mit dem Übergang der Kurwürde von den sächsischen Askaniern auf das Haus Wettin geht auch der Name Sachsen auf die bisher Thüringische Mark (Mark Meißen) über. 1438 waren die Habsburger erneut auf den deutschen Thron gekommen, deren Interesse nun immer weniger am Reich liegt, sondern in der Mehrung ihrer Hausmacht. Es folgt ein allmählicher Niedergang des Reichs bis zu seinem Ende 1806. Das Machtzentrum verlagert sich von Prag nach Wien.


‍Im Norden wird 1410 der Deutsche Orden durch ein polnisch-litauisches Heer unter Vitautas in der Schlacht bei Tannenberg besiegt. Im Thorner Frieden 1466 tritt der Orden die Pommerellen (mit Danzig), Westpreußen (mit Kulm und Thorn) und das ostpreußische Ermland (mit Heilsberg und Allenstein) an Polen ab. Das Herzogtum Holstein, seit 1386 mit dem dänischen Herzogtum Schleswig verbunden (‚dat se bliwen ewich tosamende ungedelt’), kommt nach Aussterben des Herzoghauses 1460 – ohne die Reichsstadt Lübeck – durch Personalunion an Dänemark, bleibt aber Teil des Reichs. In Brandenburg kommen 1415 die Hohenzollern an die Macht.


‍In Burgund gehen weitere Gebiete verloren: Avignon wird 1348 päpstlicher Besitz. Im nördlich angrenzenden Gebiet ernennt Kaiser Siegmund den Sohn des französischen Königs (den ‚Dauphin‘) zum Generalvikar und verliert damit die ‚Dauphiné’ an Frankreich, ebenso die Grafschaft Forez. 1361 unterstellt Karl IV. Savoyen, das bisher Teil Burgunds war, dem Reich unmittelbar.


‍Im Westen plant der französische Herzog von Burgund, Karl der Kühne, die Errichtung eines selbständigen burgundischen Staates unter Einbindung der deutschen Freigrafschaft Burgund, also eine Rückkehr zu dem Ergebnis der fränkischen Reichsteilung von 843. Sein Vorgänger Philipp der Kühne hatte 1363 durch seine Ehe mit Margarete von Flandern die Grafschaften Flandern und Artois (die ‚niederen Lande’) erworben. Karl plante daher auch die Verbindung zwischen diesen Landesteilen durch Einbeziehung Lothringens. In den folgenden ‚Burgunderkriegen’ gelingt es Karl, vorübergehend Lothringen zu besetzen, er wird aber von den Schweizer Eidgenossen, deren Gebiete er als ehemals burgundisch ebenfalls annektieren wollte, geschlagen. Nach seinem Tode in der Schlacht bei Nancy erbt Kaiser Maximilian I., der die Tochter Karls geheiratet hatte, 1493 die Grafschaften Flandern (mit Gent, Brügge und Doornik/Tournai) und Artois (mit Arras/Atrecht), durch Frankreich 1526 anerkannt. Die seit über 600 Jahren geltende Reichsgrenze an der Schelde ist überschritten. Die mit dem Artois verbundene Grafschaft Boulogne (Boonen) kann Ludwig XI. bei Frankreich halten, da er sie der Souveränität der Heiligen Jungfrau unterstellt hatte, gegen die Maximilian nicht vorzugehen wagte.


‍Im Süden war 1382 Triest durch freiwillige Unterwerfung wieder unter Reichsgewalt gelangt. Dagegen erfolgt das Ausscheiden der Schweiz. Die von Kaiser Friedrich II. den Schweizer Urkantonen gewährte Reichsunmittelbarkeit wurde von den Habsburgern bestritten, was zu jahrelangen Befreiungskriegen führte (Wilhelm-Tell-Epos). Die Ablehnung der Reichsreformpläne Kaiser Maximilians durch die Eidgenossen führt zum ‚Schwabenkrieg‘ von 1499, dessen Ergebnis die faktische Trennung vom Reich ist. Eine endgültige Bestätigung der Loslösung der Schweiz folgt im Westfälischen Frieden 1648.


‍Die deutsche Sprachgrenze schiebt sich im Osten, insbesondere in Pommern, Preußen und Schlesien, weiter vor. Im Norden überschreitet sie die Eider.

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